Freitag, 25. Januar 2008
Caput 8: Leben auf dem Lande Teil I - oder: Von Patriarchen, linken Rechten und rechten Linken sowie der Intimität des Trinkgelages
haruwa, 17:15h
Wenn die CDU nicht so jämmerlich Amerika hörig gewesen und nicht ausgerechnet einen Heiner Geißler als ihren zweiten Mann vor die Fernsehkameras geschickt hätte - es besteht wenig Grund daran zu zweifeln, dass ich mit 18 Jahren ihr Mitglied geworden wäre und nicht das der SPD. Und eigentlich - eigentlich - wäre das nur natürlich gewesen.
Mein Heimatdorf mit seinen knapp sechshundert Einwohnern hatte und hat seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bei allen Wahlen immer eine satte absolute Mehrheit für die CDU zusammengebracht. Oft lag sie sogar weit jenseits der Zweidrittel-Mehrheit. Fast alle Bekannte und Freunde unserer Familie fühlten sich ihr verbunden. An ihrer örtlichen Spitze stand ein Patriarch, der das Dorf als Bürgermeister über fast vier Jahrzehnte hinweg nahezu unumschränkt beherrschte. Sein Wohlwollen verscherzte man sich tunlichst nicht. Ansonsten konnte man sich auf harte Zeiten gefasst machen. Mein Vater hatte allerdings jahrelang als Landarbeiter zu seiner Zufriedenheit auf seinem Bauernhof gearbeitet. Uns betraf das also zum Glück nicht.
Wenn man über Politik redete, dann ganz selbstverständlich aus der Perspektive dieser Partei - und sei es auch kritisch über ihre Führung und ihre Politik. Mit einem anderen Parteibuch stellte man sich regelrecht außerhalb des guten Geschmacks. Es war schlimmer als Katholik sein. Eher schon so etwas wie Jehovas Zeuge. Diese guten Leutchen liefen auch regelmäßig Gefahr, dass der jeweilige Hausbesitzer den Hund losmachte wenn sie mal wieder zwecks Verkaufs ihres "Wachturms" auf seinen Hof kamen. Man spielte es in der Dorfgemeinschaft möglichst herunter wenn man einer anderen Partei als der CDU angehörte. Während die CDU über rund vierzig Mitglieder in unserem Dorf und einen eigenen Gemeindeverband verfügte gab es außer mir gerade einmal drei weitere Sozialdemokraten (einen Finanzbeamten, meine Nachbarin und den stellvertretenden Bürgermeister), einen FDP-Mann (nämlich den umsatzstärksten der drei Gastwirte des Ortes, was der FDP trotz ihres bescheidenen Personalbestandes zu nicht unbeträchtlichem Einfluss in der Dorfpolitik verhalf) und einen Grünen (ein frühpensionierter, psychisch kranker Lehrer, der im Dorf allgemein pars pro toto für die Grünen stand). Aus dem dörflichen common sense fiel in seiner grotesken Art auch jener alte, ehemalige SS-Mann heraus, der stets das Horst-Wessel-Lied ("Die Fahne hoch...") zu grölen pflegte wenn er betrunken war (und er war häufig betrunken) - obwohl er Stanislaw mit Vornamen hieß und über einen Nachnamen verfügte, in dem neben einem "szczy" auch noch ein "ski" vorkam, was zusammen mit seiner katholischen Konfession eine nichts weniger als "germanische" Herkunft vermuten ließ.
All das klingt für Außenstehende nun wahrscheinlich nach der sprichwörtlichen "Idiotie des Landlebens", von der einst Karl Marx und Friedrich Engels redeten. Vor allem aus der Großstadt-Perspektive und der des überzeugten großstädtischen Linken.
Und doch würde das ein nicht nur verzerrtes sondern schlicht völlig falsches Bild ergeben - wollte man das Leben auf dem Lande auf solche Genreszenen reduzieren. Zunächst einmal: Gerade in meinem Dorfe habe ich von Anfang an immer wieder erlebt wie "links" im Grunde genommen viele "Rechte" sind. Wie "rechts" manche Linke. Und wie weit entfernt oft konkrete Entscheidungsfindungen von solcher politischen Arithmetik. So war z.B. der oppositionelle stellvertretende Bürgermeister in Personalunion zugleich der Schwiegersohn des Patriarchen. Die Dorfpolitik wurde also weiterhin am selben Familientisch gemacht. Andererseits kann ich mich noch gut erinnern, wie entschieden sich etwa die Geschäftsführerin unseres örtlichen CDU-Gemeindeverbandes bei mehr als nur einer Gelegenheit über - O-Ton - "diesen autoritären Scheißer von Stadtdirektor" beschwerte (unser Dorf wurde bereits 1974 in die nächstgelegene Kreisstadt eingemeindet). Der war übrigens als gebürtiger Hamburger ein langjähriges SPD-Mitglied - verdiente aber eine solche Charakterisierung ansonsten bis in die Haarspitzen.
Wenn man mithin etwas in unserem Dorfe lernen konnte, dann wie wenig parteipolitische Präferenzen etwas über einen Menschen aussagen. Selbst über die politischen Überzeugungen eines Menschen. Wie zweitrangig im Grunde auch Kategorisierungen wie links und rechts sind wenn man wissen möchte: Wofür steht der oder die eigentlich? Das mag noch in der Generation davor völlig anders gewesen sein. Das mag insbesondere in städtischem Ambiente noch heute anders sein. Ich kann und will das nicht beurteilen. Als ich jedenfalls Ende der Achtziger Jahre nach Bremen kam war es schon ein kleiner Kulturschock für mich zu sehen wie ideologisch aufgeheizt und Kompromiss unfähig die politisch-ideologischen Fronten hier verliefen. Selbst innerhalb der "Linken". Wie durch und durch autoritär und undemokratisch vieles war, was sich als "links und frei" gerierte. Und was hier so alles ernst genommen wurde.
Dagegen habe ich mit meinen Altersgenossen vor Ort eigentlich immer dieselben Überzeugungen geteilt. Auch mit jenen, deren Weg über die Junge Union in die CDU führte. Wir alle waren reichlich politisiert, dabei im Grunde so etwas wie "Gefühlslinke", die Aversionen gegen die theoretisierenden "Altlinken" hegten. Wir alle hatten so unseren eigenen Nationalismus eingepflanzt bekommen. Wir alle waren auch irgendwo kleine Antiamerikaner. Einzig meine Haarlänge unterschied mich im Grunde von den Anderen. Ansonsten glich sich ebenso unser Lifestyle nahezu vollständig. Von der Musik bis zu den bereits ausführlich erwähnten, obligatorischen hautengen Jeans.
Und übrigens noch in einer anderen wichtigen Neigung funkten wir auf ein und derselben Wellenlänge: in unserer Vorliebe für ausgiebige, ja zuweilen durchaus heftige Besäufnisse. Im Zustande des Betrunkenseins kann man sich nicht mehr verstecken. Der Kontrollverlust durch den steigenden Promillegehalt führt einfach dazu, dass man sich sukzessive immer mehr so benimmt wie man wirklich ist. Zuweilen führt das dann natürlich zu peinlichen Überraschungen. Meine persönliche Erfahrung ist jedoch, dass auch meine intensivsten und haltbarsten Freundschaften sich Alkohol geschwängerten Trinkgelagen verdankten. Sich gemeinsam zu betrinken und wechselseitig im Zustande des Betrunkenseins zu erleben ist etwas sehr Intimes - vergleichbar im Grunde nur mit der Intimität des Geschlechtsverkehrs.
Auch wenn es daher ein miserables Vorbild für die heutigen Teens und Twens abgibt: Back in the Eighties geht ehrlicherweise nur, wenn man bereit ist, sich selbst und Anderen auch die Kommunikation stiftende Bedeutung der Droge Alkohol einzugestehen. Und nicht zu verdrängen, wie oft wir damals abkotzen mussten.
Mein Heimatdorf mit seinen knapp sechshundert Einwohnern hatte und hat seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bei allen Wahlen immer eine satte absolute Mehrheit für die CDU zusammengebracht. Oft lag sie sogar weit jenseits der Zweidrittel-Mehrheit. Fast alle Bekannte und Freunde unserer Familie fühlten sich ihr verbunden. An ihrer örtlichen Spitze stand ein Patriarch, der das Dorf als Bürgermeister über fast vier Jahrzehnte hinweg nahezu unumschränkt beherrschte. Sein Wohlwollen verscherzte man sich tunlichst nicht. Ansonsten konnte man sich auf harte Zeiten gefasst machen. Mein Vater hatte allerdings jahrelang als Landarbeiter zu seiner Zufriedenheit auf seinem Bauernhof gearbeitet. Uns betraf das also zum Glück nicht.
Wenn man über Politik redete, dann ganz selbstverständlich aus der Perspektive dieser Partei - und sei es auch kritisch über ihre Führung und ihre Politik. Mit einem anderen Parteibuch stellte man sich regelrecht außerhalb des guten Geschmacks. Es war schlimmer als Katholik sein. Eher schon so etwas wie Jehovas Zeuge. Diese guten Leutchen liefen auch regelmäßig Gefahr, dass der jeweilige Hausbesitzer den Hund losmachte wenn sie mal wieder zwecks Verkaufs ihres "Wachturms" auf seinen Hof kamen. Man spielte es in der Dorfgemeinschaft möglichst herunter wenn man einer anderen Partei als der CDU angehörte. Während die CDU über rund vierzig Mitglieder in unserem Dorf und einen eigenen Gemeindeverband verfügte gab es außer mir gerade einmal drei weitere Sozialdemokraten (einen Finanzbeamten, meine Nachbarin und den stellvertretenden Bürgermeister), einen FDP-Mann (nämlich den umsatzstärksten der drei Gastwirte des Ortes, was der FDP trotz ihres bescheidenen Personalbestandes zu nicht unbeträchtlichem Einfluss in der Dorfpolitik verhalf) und einen Grünen (ein frühpensionierter, psychisch kranker Lehrer, der im Dorf allgemein pars pro toto für die Grünen stand). Aus dem dörflichen common sense fiel in seiner grotesken Art auch jener alte, ehemalige SS-Mann heraus, der stets das Horst-Wessel-Lied ("Die Fahne hoch...") zu grölen pflegte wenn er betrunken war (und er war häufig betrunken) - obwohl er Stanislaw mit Vornamen hieß und über einen Nachnamen verfügte, in dem neben einem "szczy" auch noch ein "ski" vorkam, was zusammen mit seiner katholischen Konfession eine nichts weniger als "germanische" Herkunft vermuten ließ.
All das klingt für Außenstehende nun wahrscheinlich nach der sprichwörtlichen "Idiotie des Landlebens", von der einst Karl Marx und Friedrich Engels redeten. Vor allem aus der Großstadt-Perspektive und der des überzeugten großstädtischen Linken.
Und doch würde das ein nicht nur verzerrtes sondern schlicht völlig falsches Bild ergeben - wollte man das Leben auf dem Lande auf solche Genreszenen reduzieren. Zunächst einmal: Gerade in meinem Dorfe habe ich von Anfang an immer wieder erlebt wie "links" im Grunde genommen viele "Rechte" sind. Wie "rechts" manche Linke. Und wie weit entfernt oft konkrete Entscheidungsfindungen von solcher politischen Arithmetik. So war z.B. der oppositionelle stellvertretende Bürgermeister in Personalunion zugleich der Schwiegersohn des Patriarchen. Die Dorfpolitik wurde also weiterhin am selben Familientisch gemacht. Andererseits kann ich mich noch gut erinnern, wie entschieden sich etwa die Geschäftsführerin unseres örtlichen CDU-Gemeindeverbandes bei mehr als nur einer Gelegenheit über - O-Ton - "diesen autoritären Scheißer von Stadtdirektor" beschwerte (unser Dorf wurde bereits 1974 in die nächstgelegene Kreisstadt eingemeindet). Der war übrigens als gebürtiger Hamburger ein langjähriges SPD-Mitglied - verdiente aber eine solche Charakterisierung ansonsten bis in die Haarspitzen.
Wenn man mithin etwas in unserem Dorfe lernen konnte, dann wie wenig parteipolitische Präferenzen etwas über einen Menschen aussagen. Selbst über die politischen Überzeugungen eines Menschen. Wie zweitrangig im Grunde auch Kategorisierungen wie links und rechts sind wenn man wissen möchte: Wofür steht der oder die eigentlich? Das mag noch in der Generation davor völlig anders gewesen sein. Das mag insbesondere in städtischem Ambiente noch heute anders sein. Ich kann und will das nicht beurteilen. Als ich jedenfalls Ende der Achtziger Jahre nach Bremen kam war es schon ein kleiner Kulturschock für mich zu sehen wie ideologisch aufgeheizt und Kompromiss unfähig die politisch-ideologischen Fronten hier verliefen. Selbst innerhalb der "Linken". Wie durch und durch autoritär und undemokratisch vieles war, was sich als "links und frei" gerierte. Und was hier so alles ernst genommen wurde.
Dagegen habe ich mit meinen Altersgenossen vor Ort eigentlich immer dieselben Überzeugungen geteilt. Auch mit jenen, deren Weg über die Junge Union in die CDU führte. Wir alle waren reichlich politisiert, dabei im Grunde so etwas wie "Gefühlslinke", die Aversionen gegen die theoretisierenden "Altlinken" hegten. Wir alle hatten so unseren eigenen Nationalismus eingepflanzt bekommen. Wir alle waren auch irgendwo kleine Antiamerikaner. Einzig meine Haarlänge unterschied mich im Grunde von den Anderen. Ansonsten glich sich ebenso unser Lifestyle nahezu vollständig. Von der Musik bis zu den bereits ausführlich erwähnten, obligatorischen hautengen Jeans.
Und übrigens noch in einer anderen wichtigen Neigung funkten wir auf ein und derselben Wellenlänge: in unserer Vorliebe für ausgiebige, ja zuweilen durchaus heftige Besäufnisse. Im Zustande des Betrunkenseins kann man sich nicht mehr verstecken. Der Kontrollverlust durch den steigenden Promillegehalt führt einfach dazu, dass man sich sukzessive immer mehr so benimmt wie man wirklich ist. Zuweilen führt das dann natürlich zu peinlichen Überraschungen. Meine persönliche Erfahrung ist jedoch, dass auch meine intensivsten und haltbarsten Freundschaften sich Alkohol geschwängerten Trinkgelagen verdankten. Sich gemeinsam zu betrinken und wechselseitig im Zustande des Betrunkenseins zu erleben ist etwas sehr Intimes - vergleichbar im Grunde nur mit der Intimität des Geschlechtsverkehrs.
Auch wenn es daher ein miserables Vorbild für die heutigen Teens und Twens abgibt: Back in the Eighties geht ehrlicherweise nur, wenn man bereit ist, sich selbst und Anderen auch die Kommunikation stiftende Bedeutung der Droge Alkohol einzugestehen. Und nicht zu verdrängen, wie oft wir damals abkotzen mussten.
... comment
murxus,
Mittwoch, 5. Dezember 2012, 18:16
"All das klingt für Außenstehende nun wahrscheinlich nach der sprichwörtlichen "Idiotie des Landlebens", von der einst Karl Marx und Friedrich Engels redeten."
Wenn Marx von der 'Idiotie des Landlebens' spricht hätte er (für heutiges Verständnis) besser von der 'Idiotie des Nur-Arbeitslebens' gesprochen.
Denn es geht darum, das Menschen, die quasi nur Tag ein Tag aus von frühester Stunde bis späte Nacht repetetive, stumpfsinnige Arbeit verrichten, keine Zeit haben über andere 'menschenwichtige' Dinge nachzudenken (geschweige denn informiert zu entscheiden), nochdazu sich durch den geringen Ertrag der (historischen) Landarbeit sich auch auf Generationen der Lebenszustand nicht wirklich verbesserte.
Es war also nicht Kritik an den Menschen - sondern an den Umständen unter denen sie leben mussten.
Wenn Marx von der 'Idiotie des Landlebens' spricht hätte er (für heutiges Verständnis) besser von der 'Idiotie des Nur-Arbeitslebens' gesprochen.
Denn es geht darum, das Menschen, die quasi nur Tag ein Tag aus von frühester Stunde bis späte Nacht repetetive, stumpfsinnige Arbeit verrichten, keine Zeit haben über andere 'menschenwichtige' Dinge nachzudenken (geschweige denn informiert zu entscheiden), nochdazu sich durch den geringen Ertrag der (historischen) Landarbeit sich auch auf Generationen der Lebenszustand nicht wirklich verbesserte.
Es war also nicht Kritik an den Menschen - sondern an den Umständen unter denen sie leben mussten.
... link
haruwa,
Dienstag, 18. Dezember 2012, 15:01
@murxus: Marx und Engels...
Danke für Deinen Comment! Er macht mir wieder sehr deutlich, wie sehr wir "Gefühlslinke" waren, bei denen Geschichtstheorie à la Marx Aversionen hervorrief/ hervorruft.
Aus heutiger Sicht würde ich eher argumentieren, dass eine von frühester Stunde bis in die späte Nacht reichende, repetitive, stumpfsinnige Arbeit gerade nicht charakteristisch ist für das Landleben sondern für urbane berufliche Tätigkeiten wie z.B. in der (frühkapitalistischen - und Frühkapitalismus gibt´s heute noch oder schon wieder und zwar nicht nur in Bangladesh) Industrie und in so manchen Dientsleistungsgewerben. Und gerade in diesem Milieu ist die sozialistische Arbeiterbewegung entstanden!
Ein Landarbeiter traditionellen Zuschnitts (also in der extensiven Landwirtschaft tätig) wie mein Vater musste natürlich körperlich überaus harte Arbeit leisten, aber sie war weder repetitiv noch stumpfsinnig sondern im Jahresverlauf abwechselnd und neben den hochbelasteten Stoßzeiten wie vor allem in der Erntezeit auch mit ausgesprochen ruhigen Phasen sich abwechselnd wie zum Beispiel im Winter. Ich habe diese alten Bauern und Landarbeiter auch als sehr gesund und kräftig in Erinnerung, obwohl sie teilweise unglaubliche Mengen an Bier und Hochprozentigem ("lütsche Lage" hieß und heißt das bei uns in Niedersachsen) in sich hineinschütten konnten. Zum Beispiel: Auf einem alten Foto unseres Schüthenvereins hat kein Einziger eine Wampe - auf einem Foto aus unseren Tagen muss man dagegen schon fast eher danach suchen, wem eigentlich der Bierbauch noch nicht über der Hose hängt (und zwar durchaus auch schon bei jungen Männern).
Ich habe dieses traditionell-ländliche Leben daher auch immer als ein sich selbst prägendes und tradierendes Milieu wahrgenommen - was einem besonders bewusst wurde, wenn man durch die Untiefen der eigenen Biografie in ein völlig anderes Milieu versetzt wurde, zum Beispiel in das der noch kräftig altlinken Universität Bremen der 80er-Jahre. Was für einen eingefleischten Konservatismus man da dann plötzlich bei sich selbst entdeckte. Zu dem man dann irgendwann auch zu stehen lernte, ohne sich deshalb etwas zu vergeben.
Noch etwas zum Thema "Iditoie des Landlebens": Nach meinem Dafürhalten hat diese Sentenz auch sehr viel mit dem nach außen sich gerne abschließenden Eigenleben so eines Dorfes zu tun. Und auch das hat nach meiner Lebenserfahrung wiederum sehr viel mit diesem Milieu zu tun: Nur ein Aspekt dazu, aber ein bezeichnender. Ich habe in diesem Blog hier von der Relevanz der gemeinsamen Besäufnisse in diesem Mikrokosmos gesprochen. Alle, die in einem solchen Dorf "dazu gehoren" (also nicht die "Zugezogenen", die da "nur" wohnen), haben sich nicht nur im Zustand des Betrunkenseins erlebt - und zwar ziemlich häufig eben auch im Zustand des Sehr-Betrunken-Seins - sondern in diesem Zustand auch ihre intimsten Privatangelegenheiten anvertraut. Jeder kennt hier also jeden in einem Ausmaß, der schon in der benachbarten Kleinstadt nicht vorstellbar ist - von urbaneren Gefilden ganz zu schweigen. Das schweißt zusammen, exkludiert aber zugleich auch und ist so per se schon ein konservatives Moment, das sich gegen revolutionäre neue Ideen ziemlich resistent zeigt. Und gegen abstrakte Teleologien erst recht. Den berühmten Spruch von Marx dürfte man daher nach meinem Verständnis daher getrost auch als Ausdruck des Frustrationspotentials begreifen, den diese Welt (die im 19. Jahrhundert ja noch in ganz anderer Weise geschlossen war) auf einen revolutionären Sozialismus ausübte.
Aus heutiger Sicht würde ich eher argumentieren, dass eine von frühester Stunde bis in die späte Nacht reichende, repetitive, stumpfsinnige Arbeit gerade nicht charakteristisch ist für das Landleben sondern für urbane berufliche Tätigkeiten wie z.B. in der (frühkapitalistischen - und Frühkapitalismus gibt´s heute noch oder schon wieder und zwar nicht nur in Bangladesh) Industrie und in so manchen Dientsleistungsgewerben. Und gerade in diesem Milieu ist die sozialistische Arbeiterbewegung entstanden!
Ein Landarbeiter traditionellen Zuschnitts (also in der extensiven Landwirtschaft tätig) wie mein Vater musste natürlich körperlich überaus harte Arbeit leisten, aber sie war weder repetitiv noch stumpfsinnig sondern im Jahresverlauf abwechselnd und neben den hochbelasteten Stoßzeiten wie vor allem in der Erntezeit auch mit ausgesprochen ruhigen Phasen sich abwechselnd wie zum Beispiel im Winter. Ich habe diese alten Bauern und Landarbeiter auch als sehr gesund und kräftig in Erinnerung, obwohl sie teilweise unglaubliche Mengen an Bier und Hochprozentigem ("lütsche Lage" hieß und heißt das bei uns in Niedersachsen) in sich hineinschütten konnten. Zum Beispiel: Auf einem alten Foto unseres Schüthenvereins hat kein Einziger eine Wampe - auf einem Foto aus unseren Tagen muss man dagegen schon fast eher danach suchen, wem eigentlich der Bierbauch noch nicht über der Hose hängt (und zwar durchaus auch schon bei jungen Männern).
Ich habe dieses traditionell-ländliche Leben daher auch immer als ein sich selbst prägendes und tradierendes Milieu wahrgenommen - was einem besonders bewusst wurde, wenn man durch die Untiefen der eigenen Biografie in ein völlig anderes Milieu versetzt wurde, zum Beispiel in das der noch kräftig altlinken Universität Bremen der 80er-Jahre. Was für einen eingefleischten Konservatismus man da dann plötzlich bei sich selbst entdeckte. Zu dem man dann irgendwann auch zu stehen lernte, ohne sich deshalb etwas zu vergeben.
Noch etwas zum Thema "Iditoie des Landlebens": Nach meinem Dafürhalten hat diese Sentenz auch sehr viel mit dem nach außen sich gerne abschließenden Eigenleben so eines Dorfes zu tun. Und auch das hat nach meiner Lebenserfahrung wiederum sehr viel mit diesem Milieu zu tun: Nur ein Aspekt dazu, aber ein bezeichnender. Ich habe in diesem Blog hier von der Relevanz der gemeinsamen Besäufnisse in diesem Mikrokosmos gesprochen. Alle, die in einem solchen Dorf "dazu gehoren" (also nicht die "Zugezogenen", die da "nur" wohnen), haben sich nicht nur im Zustand des Betrunkenseins erlebt - und zwar ziemlich häufig eben auch im Zustand des Sehr-Betrunken-Seins - sondern in diesem Zustand auch ihre intimsten Privatangelegenheiten anvertraut. Jeder kennt hier also jeden in einem Ausmaß, der schon in der benachbarten Kleinstadt nicht vorstellbar ist - von urbaneren Gefilden ganz zu schweigen. Das schweißt zusammen, exkludiert aber zugleich auch und ist so per se schon ein konservatives Moment, das sich gegen revolutionäre neue Ideen ziemlich resistent zeigt. Und gegen abstrakte Teleologien erst recht. Den berühmten Spruch von Marx dürfte man daher nach meinem Verständnis daher getrost auch als Ausdruck des Frustrationspotentials begreifen, den diese Welt (die im 19. Jahrhundert ja noch in ganz anderer Weise geschlossen war) auf einen revolutionären Sozialismus ausübte.
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