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Samstag, 6. Oktober 2007
Caput 4: Politisierung Teil 1
haruwa, 13:58h
Die Atmosphäre der frühen 80er war politisch reichlich aufgeladen. Und das war prägend. Nein, nicht mehr so wie noch anderthalb Jahrzehnte zuvor. Obwohl es unter den etwas Älteren viele gab, die "ihren" Karl Marx herunterbeten konnten wie ein frommer Christ das Apostolische Glaubensbekenntnis. Und das zu unserem Leidwesen bei jeder Gelegenheit, die sich bot, dann auch taten. Übrigens noch Ende der 80er Jahre, als ich an der nahe gelegenen Universität Bremen mein Studium begann (aber die war ja in dieser Hinsicht auch berüchtigt).
Wir hatten auch nicht mehr die alten Nazis als Lehrer in der Schule wie noch die "68er". Die Zeit zwischen 1933 und 1945 kam bei uns im Geschichtsunterricht durchaus - und zwar umfangreich - vor. Ich erinnere mich noch heute des beklemmenden Gefühls, das ich hatte, als wir während einer Klassenfahrt nach München im Oktober 1982 die Überreste des Konzentrationslagers Dachau besuchten. Allerdings reduzierte sich unser Geschichtsunterricht auch nicht auf den Nationalsozialismus und seine Schrecken. Und zur eigentlichen Politisierung trug solch ein Erlebnis nicht wirklich bei. So wenig wie der Besuch von Schloß Linderhof, den wir auf den Spuren Ludwigs II. einen Tag nach unserem Dachau-Besuch machten (Fotos davon besitze ich noch heute). Es waren furchtbare Dinge aus einer vergangenen Zeit. Aber eben aus einer vergangenen Zeit.
Ebenso wenig trug zu dieser Politisierung die Geschichte diverser nicaraguanischer Befreiungsbewegungen bei, die ein damals junger, stramm antiamerikanisch gesonnener Gemeinschaftskundelehrer uns zu pauken nötigte. Er hat mir "nur" die Beschäftigung mit den Problemen der sogenannten Dritten Welt genauso vergällt wie ein paar Jahre später eine rabiat SED-kommunistisch gesonnene Germanistik-Professorin die Lektüre von Brecht (wer damals an der Universität Bremen Germanistik studiert hat weiß wen ich meine).
Für mich persönlich war da schon ein anderes Erlebnis weit wichtiger. Es fand im März/ April 1981 statt - also gerade mal um meinen 14. Geburtstag herum. Im Rückblick betrachtet also erstaunlich früh. Was ich aus heutiger Sicht für ein mich persönlich betreffendes Indiz dieser politischen Aufgeladenheit des damaligen Zeitgeistes halte.
Ich befand mich damals mit gut drei dutzend anderen Jugendlichen in meinem Alter für sechs Wochen in einem Jugendcamp in Bad Sachsa im Südharz. Es lag nur eine kurze Wegstrecke von der damaligen innerdeutschen Grenze entfernt. Jedesmal wenn man etwas aus dem Ort heraus kam hatte man diese monströsen Sperranlagen samt Wachtürmen vor Augen. Jedesmal wurde man durch zahlreiche Ferngläser mißtrauisch beäugt - das Gewehr und den Wachhund immer in Reichweite. Die Bahnstrecke zwischen Northeim und Nordhausen endete kurz hinter Walkenried abrupt im Stacheldraht. Unsere Erzieherinnen schärften uns ein, ja niemals dorthin zu gehen. Wenn wir es doch täten würde man auf uns schießen.
Das hat sich mir unauslöschlich eingeprägt. Hallo, wo leben wir hier eigentlich???
Wir hatten auch nicht mehr die alten Nazis als Lehrer in der Schule wie noch die "68er". Die Zeit zwischen 1933 und 1945 kam bei uns im Geschichtsunterricht durchaus - und zwar umfangreich - vor. Ich erinnere mich noch heute des beklemmenden Gefühls, das ich hatte, als wir während einer Klassenfahrt nach München im Oktober 1982 die Überreste des Konzentrationslagers Dachau besuchten. Allerdings reduzierte sich unser Geschichtsunterricht auch nicht auf den Nationalsozialismus und seine Schrecken. Und zur eigentlichen Politisierung trug solch ein Erlebnis nicht wirklich bei. So wenig wie der Besuch von Schloß Linderhof, den wir auf den Spuren Ludwigs II. einen Tag nach unserem Dachau-Besuch machten (Fotos davon besitze ich noch heute). Es waren furchtbare Dinge aus einer vergangenen Zeit. Aber eben aus einer vergangenen Zeit.
Ebenso wenig trug zu dieser Politisierung die Geschichte diverser nicaraguanischer Befreiungsbewegungen bei, die ein damals junger, stramm antiamerikanisch gesonnener Gemeinschaftskundelehrer uns zu pauken nötigte. Er hat mir "nur" die Beschäftigung mit den Problemen der sogenannten Dritten Welt genauso vergällt wie ein paar Jahre später eine rabiat SED-kommunistisch gesonnene Germanistik-Professorin die Lektüre von Brecht (wer damals an der Universität Bremen Germanistik studiert hat weiß wen ich meine).
Für mich persönlich war da schon ein anderes Erlebnis weit wichtiger. Es fand im März/ April 1981 statt - also gerade mal um meinen 14. Geburtstag herum. Im Rückblick betrachtet also erstaunlich früh. Was ich aus heutiger Sicht für ein mich persönlich betreffendes Indiz dieser politischen Aufgeladenheit des damaligen Zeitgeistes halte.
Ich befand mich damals mit gut drei dutzend anderen Jugendlichen in meinem Alter für sechs Wochen in einem Jugendcamp in Bad Sachsa im Südharz. Es lag nur eine kurze Wegstrecke von der damaligen innerdeutschen Grenze entfernt. Jedesmal wenn man etwas aus dem Ort heraus kam hatte man diese monströsen Sperranlagen samt Wachtürmen vor Augen. Jedesmal wurde man durch zahlreiche Ferngläser mißtrauisch beäugt - das Gewehr und den Wachhund immer in Reichweite. Die Bahnstrecke zwischen Northeim und Nordhausen endete kurz hinter Walkenried abrupt im Stacheldraht. Unsere Erzieherinnen schärften uns ein, ja niemals dorthin zu gehen. Wenn wir es doch täten würde man auf uns schießen.
Das hat sich mir unauslöschlich eingeprägt. Hallo, wo leben wir hier eigentlich???
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Mittwoch, 1. August 2007
Caput 3: Musik
haruwa, 15:50h
No sex and drugs and rock´n roll! Jedenfalls nicht in der Musik!
Sofern man nicht gerade Punk war - und das war weder ich noch irgend jemand sonst, den ich gekannt hätte. Und natürlich abgesehen von "ABBA". Bei denen mich damals allerdings ehrlich gesagt vor allem diese wahnsinnig g..l. Blondine mit den ganz knappen Mini-Miniröckchen und dem atemberaubenden Ars.h interessierte. Weniger die Musik. Die habe ich erst zwanzig Jahre später zu schätzen gelernt.
Nein, unsere - meine - Musik als Teenie(s), das war die NDW - die "Neue Deutsche Welle". Die meisten der Bands und ihrer Songs sind heute längst vergessen. Herbert "Herbie" Groenemeyer als einer ihrer Dinosaurier ist übrigens erst auf sie aufgesprungen und hat sie mit viel - im tiefsten Grunde gar nicht zu ihr passender - moralinsaurer PC-Politisiererei aufgeladen, als sie eigentlich schon wieder abgeebbt war. Ausnahmen wie der "Bochum"-Song bestätigen bei ihm leider diese Regel.
Die "echte" NDW war allerdings ebenfalls politisch, hochpolitisch sogar, aber selten so direkt wie in Nenas "99 Luftballons". Sie kam gewissermaßen hintenherum und provozierend unaufdringlich. Zuweilen sogar gewollt infantil. Sie war schon deshalb ein - kulturelles - Politikum, weil sie dem englischsprachigen Monopol in den Charts erfolgreich den offenen Kampf angesagt hatte. Da brauchte es nicht erst des erigierten Zeigefingers um uns klar zu machen, was gemeint war.
"Kodo" von DÖF ist in dieser Hinsicht ein ganz typischer Song. Alle - aber auch wirklich alle - wußten, wer mit Kodos Gegner gemeint war: natürlich Ronald Reagan, der Krieger gegen das "Reich des Bösen". Der ohne Rücksicht auf die Folgen die deutschen Lande mit Atomraketen vollstopfte. Obwohl er in dem Song nicht mit einem Sterbenswörtchen genannt wird. Und der Song sich ohne das Wissen um den konkreten historisch-politischen Kontext, in dem er entstand, wie eine Ansammlung von Nonsense-Sätzen anhört. Es war aber die zeitgemäße Variante von "make love not war" - oder besser gesagt: "Mach´ Liebe, nicht Krieg".
Ach ja, DÖF... Ein Two-hit-wonder. Aber was für eins! Neben "Kodo" kam dann nur noch "Taxi". Anschließend verschwand die Gruppe in der Versenkung. Aber wer die Zeit in Erinnerung hat, der hat diese Band in Erinnerung. Vor allem ihren männlichen Sänger, der alle Stimmlagen von Bass bis Alt beherrschte - eine unglaubliche musikalische Leistung, die ich seither nicht wieder gesehen habe!
Außer Nena war es vor allem Falco, der die NDW anstieß (mit "Der Kommissar" und "Amadeus"). Überhaupt kam damals musikalisch ungemein viel aus Österreich. Für einen kulturgeschichtlichen Augenblick lang schien es so, als habe Österreich tatsächlich mehr zu bieten als Karl Moik und die Tiroler Flachlandspatzen. Man konnte freilich nie wirklich verstehen was Falco so sang - und deshalb mußte er dann später ja auch wohl in die Dominikanische Republik auswandern. Aber das Mozart kein kunstreligiöser Alpenspießer war, das wissen wir seither! Inzwischen ist die Information sogar in der Wissenschaft angekommen.
"Dadada, ich hab´ Dich lieb, Du hast mich lieb...": Die Jungs aus Quakenbrück gehörten mit ihrem Plattsinn aus Plattdeutschland ebenso zum Flair jener Jahre wie der tiefbayerische "Skandal im Sperrbezirk". Und "Major Tom", bei dem man sich direkt auf der Abschußrampe wähnte, wenn nach dem Monolog im Flüsterton plötzlich die Fanfare ertönte.
Ja, auf der Abschußrampe! Das Charakteristische an der NDW war gerade ihr Hintersinn, das Witzige, Freche, Un- und Antididaktische. Ihre Sache war keine lautstark hinausgeschriene Rebellion mit Gottvater Karl Marx, Sohn Friedrich Engels und Heiligem Geist Che Guevara als mythischer Trinität, auch keine haschgeschwängerte Flower-Power-Mystik und erst recht keine in Töne gegossene politisch korrekte Moral, die uns ständig einbleuen will, dass wir doch nur arme kleine Sünder sind und was wir daher gefälligst zu denken und zu sagen haben. Eher schon eine in der Maske der Harmlosigkeit und des Ulks daher kommende Konfession, die ohne die politischen Vorgänge der Zeit nicht zu verstehen ist.
Sofern man nicht gerade Punk war - und das war weder ich noch irgend jemand sonst, den ich gekannt hätte. Und natürlich abgesehen von "ABBA". Bei denen mich damals allerdings ehrlich gesagt vor allem diese wahnsinnig g..l. Blondine mit den ganz knappen Mini-Miniröckchen und dem atemberaubenden Ars.h interessierte. Weniger die Musik. Die habe ich erst zwanzig Jahre später zu schätzen gelernt.
Nein, unsere - meine - Musik als Teenie(s), das war die NDW - die "Neue Deutsche Welle". Die meisten der Bands und ihrer Songs sind heute längst vergessen. Herbert "Herbie" Groenemeyer als einer ihrer Dinosaurier ist übrigens erst auf sie aufgesprungen und hat sie mit viel - im tiefsten Grunde gar nicht zu ihr passender - moralinsaurer PC-Politisiererei aufgeladen, als sie eigentlich schon wieder abgeebbt war. Ausnahmen wie der "Bochum"-Song bestätigen bei ihm leider diese Regel.
Die "echte" NDW war allerdings ebenfalls politisch, hochpolitisch sogar, aber selten so direkt wie in Nenas "99 Luftballons". Sie kam gewissermaßen hintenherum und provozierend unaufdringlich. Zuweilen sogar gewollt infantil. Sie war schon deshalb ein - kulturelles - Politikum, weil sie dem englischsprachigen Monopol in den Charts erfolgreich den offenen Kampf angesagt hatte. Da brauchte es nicht erst des erigierten Zeigefingers um uns klar zu machen, was gemeint war.
"Kodo" von DÖF ist in dieser Hinsicht ein ganz typischer Song. Alle - aber auch wirklich alle - wußten, wer mit Kodos Gegner gemeint war: natürlich Ronald Reagan, der Krieger gegen das "Reich des Bösen". Der ohne Rücksicht auf die Folgen die deutschen Lande mit Atomraketen vollstopfte. Obwohl er in dem Song nicht mit einem Sterbenswörtchen genannt wird. Und der Song sich ohne das Wissen um den konkreten historisch-politischen Kontext, in dem er entstand, wie eine Ansammlung von Nonsense-Sätzen anhört. Es war aber die zeitgemäße Variante von "make love not war" - oder besser gesagt: "Mach´ Liebe, nicht Krieg".
Ach ja, DÖF... Ein Two-hit-wonder. Aber was für eins! Neben "Kodo" kam dann nur noch "Taxi". Anschließend verschwand die Gruppe in der Versenkung. Aber wer die Zeit in Erinnerung hat, der hat diese Band in Erinnerung. Vor allem ihren männlichen Sänger, der alle Stimmlagen von Bass bis Alt beherrschte - eine unglaubliche musikalische Leistung, die ich seither nicht wieder gesehen habe!
Außer Nena war es vor allem Falco, der die NDW anstieß (mit "Der Kommissar" und "Amadeus"). Überhaupt kam damals musikalisch ungemein viel aus Österreich. Für einen kulturgeschichtlichen Augenblick lang schien es so, als habe Österreich tatsächlich mehr zu bieten als Karl Moik und die Tiroler Flachlandspatzen. Man konnte freilich nie wirklich verstehen was Falco so sang - und deshalb mußte er dann später ja auch wohl in die Dominikanische Republik auswandern. Aber das Mozart kein kunstreligiöser Alpenspießer war, das wissen wir seither! Inzwischen ist die Information sogar in der Wissenschaft angekommen.
"Dadada, ich hab´ Dich lieb, Du hast mich lieb...": Die Jungs aus Quakenbrück gehörten mit ihrem Plattsinn aus Plattdeutschland ebenso zum Flair jener Jahre wie der tiefbayerische "Skandal im Sperrbezirk". Und "Major Tom", bei dem man sich direkt auf der Abschußrampe wähnte, wenn nach dem Monolog im Flüsterton plötzlich die Fanfare ertönte.
Ja, auf der Abschußrampe! Das Charakteristische an der NDW war gerade ihr Hintersinn, das Witzige, Freche, Un- und Antididaktische. Ihre Sache war keine lautstark hinausgeschriene Rebellion mit Gottvater Karl Marx, Sohn Friedrich Engels und Heiligem Geist Che Guevara als mythischer Trinität, auch keine haschgeschwängerte Flower-Power-Mystik und erst recht keine in Töne gegossene politisch korrekte Moral, die uns ständig einbleuen will, dass wir doch nur arme kleine Sünder sind und was wir daher gefälligst zu denken und zu sagen haben. Eher schon eine in der Maske der Harmlosigkeit und des Ulks daher kommende Konfession, die ohne die politischen Vorgänge der Zeit nicht zu verstehen ist.
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Donnerstag, 31. Mai 2007
Caput 2: Die Haare
haruwa, 15:37h
Nämlich die Haare. Es kommt einem aus heutiger Sicht ebenfalls recht seltsam vor, wenn man die alten Fotos aus den 80ern anschaut und dabei einmal nicht auf die Kleidung sondern etwas weiter nach oben guckt. Irgendwie sieht es ja fast so aus, als seien wir alle zum selben Friseur gegangen. Oder eben auch gar nicht.
Die Mädels pflegen üblicherweise auf den alten Fotos - und in der Erinnerung - nahezu durchgehend lange Haare zu haben. Die Mehrzahl mit in Höhe oder etwas unterhalb der Schulterblätter gestutzten, recht viele hingegen auch mit frei bis zu den Hüften wachsenden. Und dann vor allem: Fast alle Mädchen trugen ihre Haare nur hinten lang. Vorne waren sie gestutzt. Fielen die Haare hingegen einfach so ungestört ins und zuweilen auch über das Gesicht, dann trug die Betreffende mit Sicherheit auch Öko- bzw. Latzhosen sowie Norwegerpullover und sympathisierte mit den damals gerade gegründeten Grünen.
Eine einzige Mitschülerin von mir hatte eine Kurzhaarfrisur. Doch als wir uns dann vor ein paar Jahren auf einer Jubiläums-Klassenfete wiedersahen, war ausgerechnet sie es - welch´ Überraschung - , deren Haare bis ganz hinunter auf den Po reichten. Mehr noch: Als Einzige erlaubte sie es ihren Haaren, überhaupt bis über die Schultern zu wachsen. Alle Anderen trugen die ihrigen mittlerweile kurz geschnitten. Bei Wenigen reichten sie noch knapp auf die Schultern. Nichts machte das Wiedererkennen schwieriger als das. Um ehrlich zu sein: Ich empfand die neue Kürze nicht gerade als Veränderung zum Positiven. Auch wenn sie wahrscheinlich alltagstauglicher ist.
Ja, und was nun uns Jungs anbetrifft: Wir scheinen seinerzeit ausschließlich bei jenem Friseur gewesen zu sein, der nur den einen Haarschnitt in seinem Repertoire hatte: den Bubikopf. Vielleicht lernte man als Herrenfriseur auch nur diesen einen Haarschnitt. Damals, in den 80ern. Jedenfalls trugen ihn die meisten von uns bis maximal knapp auf Kragenhöhe; nur die Cooleren, die mit den hautengsten Stretch-Jeans, ließen ihn zuweilen auch etwas über den Kragen wachsen.
In meiner ganzen gymnasialen Oberstufe gab es im Grunde nur zwei Ausnahmen von dieser Regel. Eine davon war ich. Wir beide waren langhaarig. Nicht mit schamhaft decouvrierendem Pferdeschwanz. Der war ein absolutes "No-Go". Brave katholische Mädchen aus der tiefsten Provinz trugen ihn. Allenfalls. Aber meistens nicht einmal mehr die. Nein, wir beide waren im ganz eigentlichen und elementaren Sinne des Wortes langhaarig. Es war ein wunderbares Körpergefühl, stets diesen feinen blonden Haarschleier um den Oberkörper zu fühlen. Und außerdem das beste Mittel, meine politischen Überzeugungen ohne Worte unübersehbar zu machen. Lange Haare bei Jungs hatten seinerzeit so ungefähr dieselbe Reizwirkung wie heute Glatzen. Es war schlicht unmöglich, sie einfach nur so und ganz unpolitisch zu tragen. Mit einem Wort: Man war damit obercool und außerdem ganz kräftig links. Jedenfalls nach dem eigenen Selbstverständnis. Ach ja, und übrigens: Lange Haare hatten auch damals nichts mit Nachlässigkeit zu tun. Die Stunden, die ich mit Waschen, Trocknen und Kämmen verbrachte, ungezählt.
As time goes by: Reichlich zwanzig Jahre später bei unserer Jubiläumsfete hatten auch wir männlichen Teilnehmer so unsre lieben Schwierigkeiten mit dem wechselseitigen Wiedererkennen. Weniger wegen der geänderten Kleidung, vor allem den inzwischen zumeist fehlenden knallengen Jeans. Immerhin trugen noch viele das Halskettchen und den Ring im linken Ohr. Aber so manche kamen statt mit einem Bubikopf obenrum recht kahl daher. Dafür konnten dann aber umso mehr stattliche Bierbäuche bewundert werden. Auch ein paar inzwischen sehr stattliche. Die größte Schwierigkeit bestand jedoch mit den Bärten: Praktisch keiner war da, der noch vollständig rasiert gewesen wäre. Schnurrbärte und Kinnbärte wechselten sich mit Schnurr- und Kinnbärten ab. Am häufigsten fanden sich jedoch die Vollbärte - in allen Ausprägungen vom Drei-Tage-Style à la Brad Pitt bis hin zu dichtem und langem Gesichtsbewuchs. Nur echte Rauschebärte gab es - noch - nicht. Wie gut, dass wir damals nicht wußten, wie wir heute aussehen würden!
Allein mein lieber Freund, der Oberstudienrat, hatte sich in dieser Hinsicht überhaupt nicht verändert. Das kam nämlich so: Als besonderen Gag ließ er sich für unseren Abischerz einen kräftigen Vollbart stehen. Ab der schriftlichen Abiprüfung. Klaro, dass der gleich nach der alkoholischen Entgiftung wieder runter sollte. Was - ebenso klaro - bis heute nicht passiert ist. Er war eben schon immer der Coolste von uns allen. Der mit den engsten Jeans von uns allen. Kurz: der absolute Trendsetter. Und mittlerweile trägt er auch einen Pferdeschwanz...
Die Mädels pflegen üblicherweise auf den alten Fotos - und in der Erinnerung - nahezu durchgehend lange Haare zu haben. Die Mehrzahl mit in Höhe oder etwas unterhalb der Schulterblätter gestutzten, recht viele hingegen auch mit frei bis zu den Hüften wachsenden. Und dann vor allem: Fast alle Mädchen trugen ihre Haare nur hinten lang. Vorne waren sie gestutzt. Fielen die Haare hingegen einfach so ungestört ins und zuweilen auch über das Gesicht, dann trug die Betreffende mit Sicherheit auch Öko- bzw. Latzhosen sowie Norwegerpullover und sympathisierte mit den damals gerade gegründeten Grünen.
Eine einzige Mitschülerin von mir hatte eine Kurzhaarfrisur. Doch als wir uns dann vor ein paar Jahren auf einer Jubiläums-Klassenfete wiedersahen, war ausgerechnet sie es - welch´ Überraschung - , deren Haare bis ganz hinunter auf den Po reichten. Mehr noch: Als Einzige erlaubte sie es ihren Haaren, überhaupt bis über die Schultern zu wachsen. Alle Anderen trugen die ihrigen mittlerweile kurz geschnitten. Bei Wenigen reichten sie noch knapp auf die Schultern. Nichts machte das Wiedererkennen schwieriger als das. Um ehrlich zu sein: Ich empfand die neue Kürze nicht gerade als Veränderung zum Positiven. Auch wenn sie wahrscheinlich alltagstauglicher ist.
Ja, und was nun uns Jungs anbetrifft: Wir scheinen seinerzeit ausschließlich bei jenem Friseur gewesen zu sein, der nur den einen Haarschnitt in seinem Repertoire hatte: den Bubikopf. Vielleicht lernte man als Herrenfriseur auch nur diesen einen Haarschnitt. Damals, in den 80ern. Jedenfalls trugen ihn die meisten von uns bis maximal knapp auf Kragenhöhe; nur die Cooleren, die mit den hautengsten Stretch-Jeans, ließen ihn zuweilen auch etwas über den Kragen wachsen.
In meiner ganzen gymnasialen Oberstufe gab es im Grunde nur zwei Ausnahmen von dieser Regel. Eine davon war ich. Wir beide waren langhaarig. Nicht mit schamhaft decouvrierendem Pferdeschwanz. Der war ein absolutes "No-Go". Brave katholische Mädchen aus der tiefsten Provinz trugen ihn. Allenfalls. Aber meistens nicht einmal mehr die. Nein, wir beide waren im ganz eigentlichen und elementaren Sinne des Wortes langhaarig. Es war ein wunderbares Körpergefühl, stets diesen feinen blonden Haarschleier um den Oberkörper zu fühlen. Und außerdem das beste Mittel, meine politischen Überzeugungen ohne Worte unübersehbar zu machen. Lange Haare bei Jungs hatten seinerzeit so ungefähr dieselbe Reizwirkung wie heute Glatzen. Es war schlicht unmöglich, sie einfach nur so und ganz unpolitisch zu tragen. Mit einem Wort: Man war damit obercool und außerdem ganz kräftig links. Jedenfalls nach dem eigenen Selbstverständnis. Ach ja, und übrigens: Lange Haare hatten auch damals nichts mit Nachlässigkeit zu tun. Die Stunden, die ich mit Waschen, Trocknen und Kämmen verbrachte, ungezählt.
As time goes by: Reichlich zwanzig Jahre später bei unserer Jubiläumsfete hatten auch wir männlichen Teilnehmer so unsre lieben Schwierigkeiten mit dem wechselseitigen Wiedererkennen. Weniger wegen der geänderten Kleidung, vor allem den inzwischen zumeist fehlenden knallengen Jeans. Immerhin trugen noch viele das Halskettchen und den Ring im linken Ohr. Aber so manche kamen statt mit einem Bubikopf obenrum recht kahl daher. Dafür konnten dann aber umso mehr stattliche Bierbäuche bewundert werden. Auch ein paar inzwischen sehr stattliche. Die größte Schwierigkeit bestand jedoch mit den Bärten: Praktisch keiner war da, der noch vollständig rasiert gewesen wäre. Schnurrbärte und Kinnbärte wechselten sich mit Schnurr- und Kinnbärten ab. Am häufigsten fanden sich jedoch die Vollbärte - in allen Ausprägungen vom Drei-Tage-Style à la Brad Pitt bis hin zu dichtem und langem Gesichtsbewuchs. Nur echte Rauschebärte gab es - noch - nicht. Wie gut, dass wir damals nicht wußten, wie wir heute aussehen würden!
Allein mein lieber Freund, der Oberstudienrat, hatte sich in dieser Hinsicht überhaupt nicht verändert. Das kam nämlich so: Als besonderen Gag ließ er sich für unseren Abischerz einen kräftigen Vollbart stehen. Ab der schriftlichen Abiprüfung. Klaro, dass der gleich nach der alkoholischen Entgiftung wieder runter sollte. Was - ebenso klaro - bis heute nicht passiert ist. Er war eben schon immer der Coolste von uns allen. Der mit den engsten Jeans von uns allen. Kurz: der absolute Trendsetter. Und mittlerweile trägt er auch einen Pferdeschwanz...
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